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Sachsen Wie Rechtsextreme Klimaschutz instrumentalisieren

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Heimatromantik: Die völkische Siedlungsbewegung "Anastasia" träumt von autarken Familienlandsitzen auf dem Land. Zum "natürlichen Leben" gehört auch "natürliches Lernen" in eigenen Schulen.
(Quelle: Harald Arlander/Unsplash)

„Umweltschutz ist Heimatschutz“ als NPD Slogan, der „deutsche Wald“ als Sehnsuchtsort und die Natur als Gegenentwurf zur Moderne – Naturschutz steht in Deutschland seit jeher in nationalistischer und völkischer Tradition. Rechtsextreme, die sich mit der Umwelt beschäftigen, sind kein Novum. Doch seit einigen Jahren ist zu beobachten, wie rechte Akteure zunehmend Umwelt- und Klimaschutzthemen strategisch bespielen. Die Strategien von Rechtsextremen in Klima- und Umweltfragen beleuchtet die neueste Broschüre „Sachsen rechts Unten“ des Kulturbüro Sachsen. Am 3. März wurde die neue Publikation auf einer Pressekonferenz vorgestellt.

Laut Fachreferent Michael Nattke vom Kulturbüro Sachsen markiert die Erscheinung des „neu“ rechten Dresdner Magazins „Die Kehre-Zeitschrift für Naturschutz“ im Mai 2020 eine Wende. Der Klimadiskurs sei endgültig in der extrem rechten Szene angekommen. Das Magazin, als Nachfolger einer NPD Umwelt-Zeitschrift, verbindet Ideologie und die Ästhetik der „neuen“ Rechten mit ökologischen Themen. „Die Kehre“ wirkt auf ersten Blick wie eine hippe Version der Geolino. Das Magazin will „den Entwurf einer ökologischen Neuordnung“ erarbeiten. Davon träumt Herausgeber Jonas Schick, ehemaliger Akteur der sogenannten „Identitären Bewegung“. Bei der Bundestagswahl 2021, machte die AfD Stimmung gegen Regelungen zum Klimaschutz. Das Klima wird bundesweit zum Terrain rechtsextremer Szenen, ebenso in Sachsen.

Ökofaschismus und wissenschaftsfeindlicher Anti-Ökologismus

Innerhalb rechtsextremer Szenen beobachtet Nattke zwei Strömungen. Der Ökofaschismus sieht die Moderne, Globalisierung und den Kapitalismus als Motor für die Veränderung des Klimas. Daraus leitet sich die Rückbesinnung auf eine vermeintliche natürliche Ordnung ab, innerhalb der das Individuum an die Natur gebunden existiert. Die feste Koppelung des Einzelnen an seinen regionalen Kontext sei die Lösung für die „Umweltkrise“. Der Ökofaschismus knüpft also an die „Blut-und-Boden“ Ideologie an, in der Natur, Individuum und „Volkgemeinschaft“ als organische Einheit imaginiert werden. Nattke spricht von einer grün gewaschenen Version der Ideologie aus dem historischen Nationalsozialismus.

Der völkische Charakter des Ökofaschismus zeigt sich darin, dass die „deutsche Identität“ als „natürlich“ begriffen wird. Die heimische Natur werde durch Artfremde gefährdet, was auf Migration übertragen wird. Ökofaschistische Autor*innen entwerfen verschiedene Entwürfe, Bevölkerungspolitik zu regulieren. Martin Semlitsch (Lichtmesz), Autor des „neu“ rechten Sezession Magazins, fantasiert in „Der Kehre“ von einer „präventiven drastischen Reduktion der Weltbevölkerung“.

Die „neue“ Rechte versuche bewusst, mit ökofaschistischen Inhalten an nicht-rechte Akteure der Öko-Bewegung, wie den Naturschutzbund (NABU) anzuknüpfen. Damit simulieren rechtsextreme Naturfans die Anschlussfähigkeit ihrer Inhalte.

Der Anti-Ökologismus geht Hand in Hand mit Wissenschaftsfeindlichkeit. Er leugnet den Klimawandel oder redet zumindest seine Auswirkungen klein. Leitnarrativ ist, dass sich das Klima ja schon immer verändert habe. Arbeitsplätze, Wohlstand und Freiheit seien durch Maßnahmen zum Schutz des Klimas bedroht und werden deshalb abgelehnt.

Beide Strömungen mögen sich inhaltlich unterscheiden. Sie teilen sich aber ihre Feindbilder, so Nattke. In der radikalen Ablehnung von Klimaaktivist*innen, der Partei die Grünen und dem „Establishment“ kommen Ökofaschismus und Anti-Ökologismus auf einen Nenner. Beide streben ein anderes Gesellschaftssystem an und sind antidemokratisch ausgerichtet. Außerdem vereine sie ihre Menschenfeindlichkeit, die sich in Wissenschaftsfeindlichkeit, Antisemitismus, Rassismus und Verschwörungsglauben ausdrückt. Anti-Ökologistische Akteure würden eher an ein konservatives und Ökofaschist*innen an ein esoterisches Milieu anschließen.

Landwirt*innen und die extreme Rechte

Lange war die CDU/CSU die Partei der Landwirt*innen. Diese Beziehung sei in den letzten Jahren ins Wanken geraten. Das zeigt die Bundestagswahl 2021, bei der Landwirt*innen nicht mehr mehrheitlich für die Unionsparteien stimmten. Bei den letzten Landtagswahlen in Sachsen hatte die AfD mit 34 Prozent die größte Zustimmung unter den Bauern und Bäuerinnen sicher. Seit 2019 formieren sich vermehrt Bauernproteste gegen EU-Richtlinien und die Bundesregierung. Es ging um Insektenschutz, Lebensmittelpreise oder Herkunftskennzeichnung. Im Zuge der Klimakrise hat sich die Interessenvertretung von Landwirt*innen jenseits der Parteien verändert. Neben den traditionellen Vertretern wie dem  „Deutschen Bauernverband“ entstanden neue Gruppen.

Dass Parteien die Sympathie von Landwirt*innen gewinnen wollen, wurzle in der Bedeutsamkeit als Berufsgruppe mit starker politischer Lobby und einem guten Ruf in der Bevölkerung. Mit der Produktion von Lebensmittel können Ängste agitiert werden, berichtet Dr. Petra Schickert, Fachreferentin des Kulturbüros Sachsen. Wenn die Landwirtschaft eingeschränkt wird, sei die Nahrungsmittelproduktion und somit die Versorgungslage in Gefahr. Von dort aus können Krisenszenarien beschworen werden. Die extreme Rechte sehe in Bäuerinnen und Bauern eine leicht zu erreichende Zielgruppe. Es werden verbindende Gemeinsamkeiten über Tradition und Rituale suggeriert. Die Romantisierung des Bauer-Seins und Begriffe wie Familie und Heimat sind Punkte, an denen die extreme Rechte anknüpft. Der „Dritte Weg“ und die „Freien Sachsen“ versuchen wiederholt Bauernproteste zu vereinnahmen und aus diesen politisches Kapital zu schlagen, so Schickert.

Der Interessenverband „Land schafft Verbindung Sachsen“ (LSV) fällt durch eine mangelnde Abgrenzung von rechten Narrativen und Akteuren auf. Jan Häntzschel, Sänger der Neonazi-Band „Thematik 25“ und Funktionär der NPD Jugendorganisation „Junge Nationalisten“ (JN), trete als Medienberater und Refernt des LSV in Erscheinung. Anfang Juli 2022 streamte Häntzschel eine Demonstration des LSV. Er hielt dort auch eine Rede.  Hagen Stark (LSV Sachsen) bestätigt gegenüber der Jungle World, die Mitgliedschaft von Häntzschel im Verband. Dass er zumindest bis vor drei Jahren offiziell „Bundesschulungsleiter“ der JN gewesen ist, sei dem LSV von Anfang an bekannt gewesen.

Landwirtschaftliche Interessenvertretungen wie die „Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft“ oder die  „Solidarische Landwirtschaft“ (Solawi) seien sich einer Vereinnahmung des Bäuerlichen durch die extreme Rechte bewusst und würden sich formal von völkischen, rassistischen und antisemitischen Ideologien abgrenzen. Geschieht diese Abgrenzung nicht, werden Akteure wie die AfD und die „Freien Sachsen“ Bauernproteste weiterhin antidemokratisch nutzen, warnt Petra Schickert. „Sachsen rechts Unten“ verdeutlicht, dass innerhalb landwirtschaftlicher Organisationsstrukturen für die Anschlussversuche extrem rechter Kräfte sensibilisiert werden muss. Eine sichtbare, demokratische Haltung der Verbände sei gefragt.

„Demokratiefeindliche Fabelwelt“: Anastasia in Sachsen

In Sachsen sei die rechtsesoterische Anastasia Szene eine recht neue und komplizierte Erscheinung. „Die demokratiefeindliche Fabelwelt“, wie Wissenschaftlerin Laura Schenderlein sie beschreibt, fußt auf der gleichnamigen zehnteiligen Buchreihe des russischen Autors Wladimir Megre. Die Bücher sind von Antisemitismus, Antifeminismus und Demokratiefeindlichkeit durchzogen. Deshalb spricht Anastasia eine große rechte Bandbreite von Esoteriker*innen bis Reichsbürger*innen an.

Anhänger*innen der Anastasia Szene geben sich meist nicht offen als solche zu erkennen. In Sachsen seien seit 2018 vermehrt Anastasia Aktivitäten zu beobachten. Im Raum Dresden gibt es seit 2015 den „Verein Lebensraum e.V.“, der ideologische Parallelen zu der Lebensweise hat, die in den Büchern entworfen wird. Auf dem Kulturgutwochenende in Schloss Ober Neuendorf bei Görlitz im Herbst 2018 wurde eine Reihe an Anastasia nahen Veranstaltungen angeboten. Organisiert wurde das Wochenende vom Verein „Schloss Ober-Neundorf“. Es gab einen Vortrag über eine russische Waldschule in Tekos, russische Kreistänze mit Wlada Ruggle und Literatur aus rechtsextremen Verlagen. Die russische Waldschule Tekos wird im dritten Band der Anastasia Reihe als ideale Schulform thematisiert. Walda Ruggle wird eine Anastasia Verbindung zugeschrieben. 2001 soll sie Organisatorin eines Treffens mit dem Autor gewesen sein. In Sachsen hätten Anastasia Anhänger*innen außerdem durch ein Wohnprojekt auf sich aufmerksam gemacht. Menschen mit demokratischen Positionen wurden verdrängt, das Projekt warb zu Beginn des ersten Corona-Lockdowns für Anastasia Inhalte und Bewohner*innen übernahmen rechte Narrative.

Markus Kemper verdeutlicht, dass die Anastasia Szene keine feste Organisationsstruktur aufweist. In Sachsen würden sich an verschiedenen Stellen Fragmente zeigen. Die Versuche von Anastasia Anhänger*innen lokal Fuß zu fassen, zu erkennen und zu verhindern, sei eine große Herausforderung. Anastasia sei „Humus für völkisches Gedankengut“, so Kemper.

 

Die Publikation „Sachsen rechts Unten“ kann gegen Rückporto kostenfrei bestellt werden. Bitte schreiben Sie dazu eine E-Mail mit dem Betreff „Sachsen rechts unten“ und der Versandadresse an: broschueren[aet]kulturbuero-sachsen.de.

 

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